Montag, 30. März 2009

Unser normaler Alltag

Während unserer Überfahrt von den Bermudas hierher, den Azoren, habe ich des öfteren über unser Leben hier auf dem Schiff gegrübelt. Es gibt einen ganz normalen Alltag hier an Bord. Allerdings überkommt mich immer ein komisches Gefühl, wenn ich genauer darüber nachdenke, was für uns hier bereits normal ist. Beginnen wir mit dem, was jede unserer Lebenslagen, sagen wir, autentisch bzw. zu einer Herrausforderung macht. Etwas wirklich naheliegenden: Dem Seegang! Die ganze Zeit schaukeln wir hin und her. Ob wir im Bett liegen, Essen oder Unterricht haben, wir müssen uns an die Bewegungen des Schiffes anpassen.
Regel Nummer eins zum Schlafen: Mit dem Kopf nach luv, als nach oben.
Regel Nummer zwei: Genug Zeug in deiner Koje stauen, dass du nicht in ihr hin und her rutschst. Ab und zu würde ich darauf schwören, dass ich wirklich mit den Füßen an der Wand stehe, weil die Schräglage so stark ist.
Leider wollen sich auch die meisten "Körper" in unserem Sciff nicht mit dem Bezugssystem Schiff abfinden und entscheiden sich somit, immer träge durch die Gegend zu fliegen. Beim Essen interessiert es mittlerweile niemanden mehr, wenn die Hälfte des Bestecks oder einige Becher auf dem Boden mit lauten klirren auf dem Boden landen. Monoton mit den Wellen vor- und zurückwippend sitzen alle da und schauen den rebellischen Gegenständen nur gelangweilt hinterher.
Essen ist auch etwas anders. Die Qualität des Essens ist mittlerweile wirklich hervorragend.
Und seit es mittags das warme Essen gibt, habe ich irgendwie auch mehr Hunger. Deshalb habe ich mich nun letztendlich, nach langen Studien, dazu entschieden mich nur noch an dem der Kombüse am nähesten gelegenen Tisch zu setzen. Zum einen, weil ich da allgemein früher etwas bekomme, zum anderen weil ich dort früher einen Nachschlag bekomme, bzw wegen der Nähe zur Backschaft meistens sogar 2 Nachschläge. Wichtig ist auf jeden Fall auch, dass man auch dann nicht aufgibt und weggeht, wenn die Backschaft gesagt hat, dass es nichts mehr gibt.
Wenn die meisten anderen gegangen sind gibt es dann doch meisten noch eine gewaltige Portion, wo es sich nur nicht gelohnt hätte, sie unter allen aufzuteilen. Der abnormalste Teil unseres Alltags ist allerdings nach wie vor das Wachegehen.
Du wirst mitten in der Nacht geweckt, man sagt dir, dass es draußen stürmt, regnet und kalt ist und du stehst trotzdem auf, ziehst dir halt einen Pulli mehr an als normal und gehst in die Kälte. Dafür wirst du immer wieder in letzter Zeit mit dem Anblick von Delfinen belohnt. Zweimal die Wache kommt der Ausruf "Delfin" und Caro rennt mit Kamera und T-Shirt auf
Vordeck (wo du alle 2 Minuten von einer Welle überrollt wirst).
Es ist aber auch ganz normal, dass sich die Backschaft des Tages etwas vorgenommen hat, was sie aus zeitlichen Gründen fast nicht schaffen können. z.B. Reiberdatschi
(Kartoffelpuffer... wie auch immer). Die 2-5 Wache schält die Kartoffeln und ich reibe dann zwischen 5 und 8 Uhr. Ein absolut cooles Gefühl: Du stehst auf dem Achterdeck, das Schiff wackelt dauernd hin und her, es regnet, die Sonne geht auf...und du stehst nur da und reibst Kartoffeln.
Ich bekomme den Sonnenaufgang allerdings in letzter Zeit nicht so oft mit. Ich bin nämlich Weckbeauftragter. D.H. Ich sorge dafür, dass ich rechtzeitig abgelöst werde, dass die Backschaft anfängt mein Frühstück vorzubereiten und die andere Unterrichtsgruppe zum Unterricht geht. Hierfür muss man einfühlsam, einfallsreich und schließlich standhaft sein sein. Manche Leute muss man 4 Mal wecken, bei manchen weißt du selbst wenn sie dir das Ein-Mal-Eins vortragen nicht, ob sie wach sind, einige ignorieren dich, andere wiederum neigen sogar dazu dich im Schlaf zu beleidigen. Eine wirklich interessante Aufgabe. Außerdem kann man dank dieser Strapazen fast eine Stunde im warmen verbringen.
Und die amüsierte Backschaft bereitet dir teilweise dein Frühstück schon vor, damit man nach dem Wachwechsel sofort essen und ins Bett kann.
Eine weitere Besonderheit unseres Lebens hier ist, dass es manchmal einfach heißt: "In 5 Minuten All-Hands-On-Deck" => schnell den Laptop weg, Gummistiefel an und ab nach draußen um im Wettkampf 2 gegen 2 die Vorsegel zu setzen, während man komplett von Wellen überflutet wird. Oder man wird geweckt, weil man ja freundlicherweise ein freiwilliger Brotbäcker ist.
Ach ja, und wer filtert schon jeden Tag Käfer aus dem Korn fürs Brot (keine Angst, wir filtern wirklich alle raus, und es gibt keine Probleme damit!).
Und zum Schluss noch ein Thema was mir auch sehr am Herzen liegt: Killerspiele
Nein, keine Angst ich werde hier nicht über spiele wie Counter Strike etc. diskutieren.
Wir spielen hier an Bord immer nebenbei ein kleines Spiel, was einige von euch vielleicht schon kennen könnten:
Jeder zieht zu Beginn eine Karte mit dem Namen eines anderen Mitspielers. Diesen muss jener dann töten. Und zwar indem er ihm irgendetwas gibt. Eine Gabel, ein Messer...was auch immer.
Backschaft und Allhands sind die einzigen Ausnahmen, wo nicht getötet wird. Wir
gehen bei diesem Spiel auch mit den übelsten Tricks vor. Um nur schnell ein paar Beispiele zu nennen:
Man klingelt mit dem Bordglöckchen solange vor dem Gesicht eines anderen bis dieser sie dir entnervt wegnimmt. Oder man plant mit seinem Opfer einen gefaketen Mord an jemand anderem und tötet diesen dann. Oder bietet jemandem um 4 Uhr morgen nach dem Wecken Schokolade an. Ich wurde getötet als unser Steuermann mir befohlen hatte den Kartentisch aufzuräumen.
Jetzt sind wir hier auf den Azoren.
Die Inseln erinnern mich ein weneig an ein Irland mit vielen Steilhängen. Außerdem gibt es endlich wieder europäische Waren zu europäischen Preisen! Aber immernoch keinen McDonald's.

Ich denke mein nächster Blog wird über die Zeit nach dem Törn sein... eine komische
Vorstellung. Ich habe mich nämlich wirklich an diesen Bordalltag gewöhnt.

Keine Kommentare: